Veratrum album (Weißer Nieswurz)

Synonyme: Weißer Nieswurz, Weißer Germer
Lateinischer Name: Veratrum album
Pflanzenfamilie: Melanthaceae innerhalb der Liliaceae

Herkunft und Charakteristik

Veratrum album ist eine Pflanze, die in den Feuchtwiesen Mittel- und Südeuropas sowie Nordasiens vorkommt. Der getrocknete Wurzelstock enthält hochwirksame Alkaloide, vor allem Perotoveratrin, die als Nerven- und Muskelgifte wirken. Diese Toxine lösen Muskelkrämpfe, Bradykardie, Hypotonie, Kreislaufschwäche, Erbrechen und choleraartige Durchfälle aus.

Historisch wurde Veratrum album vielseitig genutzt: von den Römern als Pfeilgift und im Mittelalter als Brechmittel. In der Homöopathie hingegen wird es vor allem bei kollapsartigen Zuständen und Geisteskrankheiten angewandt, wie bereits Samuel Hahnemann empfahl.

Mittelkern

  • Geistige und körperliche Ruhelosigkeit
  • Ausgeprägter Mangel an Lebenswärme
  • Schwäche und Kollapsneigung
  • Dehydratation durch intensive Ausscheidungen
  • Verlangen nach Saurem, Salzigem und Kaltem

Organo- und Funktiotropie

  1. Magen-Darm-Trakt:
    • Choleraartige Durchfälle, reiswasserartige Stühle
    • Krämpfe und Koliken, verbunden mit Erbrechen
    • Gastroenteritiden mit schwerer Erschöpfung
  2. Vagales Nervensystem:
    • Spastische Beschwerden, Muskelschwäche, Krämpfe
    • Schluckauf und gastrointestinale Koliken
  3. Herz-Kreislauf-System:
    • Kreislaufstörungen: Tachykardie, später Hypotonie und Kollaps
    • Schwacher, fadenförmiger Puls, Kaltschweißigkeit
  4. Temperaturhaushalt:
    • Kälteempfinden trotz innerem Brennen
    • Kalter Schweiß, besonders auf der Stirn

Causa

  • Psychische Belastungen
  • Folgen von Vergiftungen (Tabak, Alkohol, Opium)
  • Infektionskrankheiten
  • Verletzungen

Typische Symptome

Psychisch:

  • Ruhelosigkeit, Gereiztheit, manischer Redefluss
  • Tendenz zu Halluzinationen, religiösem Wahn und Logorrhoe
  • Wechsel zwischen Manie und Depression
  • Aggression, Zerstörungsdrang, Angst um die gesellschaftliche Stellung

Körperlich:

  • Kalte Extremitäten, lokale Kälteempfindungen (z. B. kalte Stirn)
  • Dehydratation durch starkes Schwitzen, Erbrechen und Durchfall
  • Muskelkrämpfe, insbesondere in den Waden
  • Kollaps mit bläulicher Haut und Kaltschweißigkeit

Verdauung:

  • Explosionsartige Durchfälle, oft begleitet von Erbrechen
  • Übelkeit, Verschlimmerung durch Trinken und Bewegung
  • Typisch sind wässrige, choleraartige Stühle mit milchigen Flocken

Herz-Kreislauf:

  • Hypotonie, plötzliche Ohnmacht, Blässe und Zyanose
  • Schwacher, unregelmäßiger Puls

Atemwege:

  • Krampfartiger, trockener Husten, ausgelöst durch kalte Luft oder Trinken
  • Bronchitis bei älteren Menschen mit Erschöpfung

Psychische Symptomatik

Veratrum album ist ein Mittel für psychotische Zustände, die sich in extremer Ruhelosigkeit, manischer Geschäftigkeit und destruktiven Tendenzen zeigen. Patienten können zwanghaft handeln, in religiösen Wahn verfallen oder aggressiv werden. Die Stimmung schwankt stark zwischen Manie und tiefer Depression, oft begleitet von Grübeleien oder Angstzuständen.

Besonders auffällig ist das Bedürfnis, Dinge zu zerreißen oder zu zerstören. Auch Logorrhoe, religiöse Obsessionen und erotische Wahnvorstellungen gehören zum Bild dieses Mittels.

Modalitäten

Verschlimmerung durch:

  • Kälte, feuchtes Wetter
  • Trinken von kalten Getränken
  • Bewegung und Anstrengung
  • Frühmorgens (4:00 Uhr)

Besserung durch:

  • Ruhe und Liegen
  • Wärme, heiße Getränke und Speisen

Verlangen und Abneigungen

  • Verlangen nach: Kaltem (Wasser, Eis), Saurem, Salzigem
  • Abneigung gegen: Warme Speisen und Getränke

Wichtige Indikationen

  • Kollaps: Plötzlicher Kräfteverlust, Schock, Ohnmacht mit Kaltschweißigkeit
  • Durchfall und Erbrechen: Choleraartige Beschwerden, Lebensmittelvergiftungen
  • Magen-Darm-Erkrankungen: Gastroenteritiden mit schwerem Kräfteverfall
  • Psychosen: Manisch-depressive Zustände, religiöser Wahn, zwanghaftes Verhalten
  • Kopfschmerzen: Migräne mit Kälteempfinden und Kaltschweißigkeit
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Hypotonie, Bradykardie, Angina pectoris

Differentialdiagnose

  • Arsenicum album: Schwäche, Durchfall, Durst, jedoch schluckweises Trinken
  • Camphora: Kollapszustände mit Erbrechen, jedoch weniger Durchfall
  • Cuprum: Choleraartige Beschwerden mit muskulären Krämpfen
  • Hyoscyamus: Psychosen mit hysterischen Tendenzen

Potenzwahl und Anwendung

Veratrum album wird häufig in akuten Fällen eingesetzt, insbesondere bei Kollapszuständen, choleraartigen Durchfällen oder psychotischen Episoden. Typische Potenzen reichen von C30 bis C200, je nach Schwere der Symptome.

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